© Michel Cardin
Das Londoner Manuskript


Solo-Sonate 12 in C-Dur
(Smith-Crawford 17)

Die kompletten und berarbeiteten Texte von 'London unveiled' von Michel Cardin können als pdf-Dateien herunter geladen werden (zur Zeit nur in Englisch): 'London unveiled'

Die einzige alternative Quelle dieser Suite, das Salzburger Manuskript, ist (zumindest nach den Mikrofilmen, die ich habe) in so schlechtem Zustand, dass sie unglaublich schwierig zu entziffern ist. Es war dennoch möglich, eine Version zu erkennen, die der des Londoner Manuskripts auffallend ähnlich ist, die am am Rand der ersten Seite die Bemerkung des Komponisten trägt: Veritable original S.L.Weis (wahrhaftig original S.L.Weis). Wie bei der 10. Suite sind auch hier die Allemande und die Courante in der Handschrift von Weiss, der Rest der Suite wurde von einem Kopisten geschrieben.

C-Dur wurde damals wie folgt beschrieben: "Dieser Ton hat eine ziemliche rude und freche Eigenschafft, wird aber zu Rejoissancen, wenn und wo man sonst der Freude ihren Lauff lässet, nicht ungeschickt seyn; dem ungeacht han ihn habiler Componist, wenn er insonderheit die accompagnirenden Instruments wohl choisiret, zu gar was charmantes umtauffen, und füglich auch in tendren Fällen anbringen." Das ambivalente Bild, das einem dadurch vor Augen gestellt wird, kommt in der Tat der Beschreibung von D-Dur ziemlich nahe.
Wie üblich sollten wir die Wiederholungen jedes Teils verzieren, ganz besonders bei der Allemande. Sie enthält nur wenige Modulationen, dafür hat sie einen nicht enden wollenden, schwungvoll sprechenden Gestus. Wie bereits erwähnt, erschließt sich bei der Interpretation des Notentextes ein unerwartetes Universum von Ausdrucksmöglichkeiten erst dann, wenn man das Instrument wirklich in Händen hält. Das gilt genauso für die Verzierungen; aus dem Wechsel zwischen offenen und gegriffenen Noten verbunden mit der jeweiligen Lage der linken Hand ergeben sich atemberaubende Wendungen, die man sich nicht vorstellen kann, wenn man nur in den Noten liest. Auf eines möchte ich hinweisen, damit Sie sich nicht über manche Verzierungen wundern, die der damaligen Zeit voraus zu sein scheinen: Diese Wendungen sind völlig natürlich, kommen direkt aus dem Instrument und sind nicht das Resultat unausgegorener Einfälle. Um idiomatisch korrekte Motive zu finden, können wir andere bereits in Weiss'schen Werken vorhandene Motive imitieren, - eine Methode, die Weiss hin und wieder selber beim Komponieren angewendet hat. Ein letztes Wort zur Allemande: Dieses Stück hat in den ersten drei Takten diesselbe Basslinie wie die vorhergehende Allemande, was ihren Beginn ähnlich klingen lässt.

Dasselbe gilt für die folgende beredte Courante in Bezug zu demselben Satz der 1. Suite. Auch sie hat zu Beginn dieselbe Basslinie. Ein Motiv aus sich wiederholenden Noten wird in ihr als wirkungsvolles dynamisches Element verwendet.

Dieses Stück wird gefolgt von einer Bourree, die voll Sonne und ungezügelter Freude ist.

Mit den Begriffen Lieblichkeit, Fraulichkeit, Leichtigkeit und Eleganz lässt sich die Sarabande am besten beschreiben. Wie vom Dresdener Lautenisten André Burguete bemerkt, finden wir alle diese Eigenschaften im Dresden der damaligen Zeit wieder. Es ist leuchtendes Beispiel dafür, wie der französische und der italienische Einfluss in perfektem Gleichgewicht nebeneinander existieren. Es überrascht nun nicht mehr, wenn wir erfahren, dass Weiss sich hier wirklich zu Hause fühlte und trotz einiger außerordentlich hoher Angebote von anderen fürstlichen Höfen sich dafür entschied zu bleiben.

Das Menuett gehört zu den schnelleren Menuetten, die sich mit ihren sparsamen Harmonien und zwischen den Stimmen wechselnden Melodien von den anderen Menuetten abheben, die große Melodiebögen im Sopran und einfache und doch klangvolle Begleitstimmen besitzen. Die letztgenannten klingen am Besten, wenn sie in einem moderaten Tempo gespielt werden. Dieses Menuett hingegen ist wie das der 4. Suite sehr lebhaft.

Die Paysanne hat, wie die Bourree von vorhin, eines der wenigen Stücke, das keinen Titel trägt. Obwohl sie von den stilistischen Merkmalen her einfach als Bourree und Paysanne zu erkennen sind, gibt uns erst das Salzburger Manuskript letzte Gewissheit, weil die Sätze dort diese Titel tragen. Sowohl der Umfang der Paysanne als auch ihre entschlossene und stolze Natur sind Rechtfertigung genug, um sie an den Schluss der Suite zu stellen und nicht in der Mitte zu platzieren, wie es bei den Paysannen der Suiten Nr.  10 und 11 der Fall war.


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