© Michel Cardin
Das Londoner Manuskript


Solo-Sonate 6 in Es-Dur
(Smith-Crawford 10)

Die kompletten und berarbeiteten Texte von 'London unveiled' von Michel Cardin können als pdf-Dateien herunter geladen werden (zur Zeit nur in Englisch): 'London unveiled'

Die Tonalität von Es-Dur hat "viel pathetisches an sich" und will "mit nichts als ernsthaften und dabey plaintiven Sachen gerne zu thun haben". Jedoch zeigt diese Suite, von der wir nur diese eine Version haben (außer der Courante in Dresden, die im Kritischen Kommentar von Smith nicht erwähnt ist), Energie, Heiterkeit bis hin zu gutem Humor und manchmal zugleich Brillanz, wenn man von der manchmal etwas gedämpften tonalen Farbe absieht, .

An dieser Stelle müssen wir zwischen zwei Preludes wählen. Das zweite ist eine viel kürzere und einfachere Variante des ersten, welches breit und kräftig angelegt ist. Weil nur eines davon am Anfang einer Suite stehen kann, erscheint es besser, das erste als Einzelstück zu verstehen.

Das zweite Prelude, typischerweise ohne Taktstriche (wie auch das erste), ist fast zu kurz, um in die Tonart einzuführen (s.a. bei Suite Nr. 24). Für einen kurzen Momente kreist die Musik um die Tonika. Dann folgt eine arpeggiierte Passage, die in eine Kadenz führt, die uns ziemlich abrupt zur Allemande bringt, die einem heiteren und zugleich desillusionierendem Selbstgespräch gleicht. Auffällig ist dabei der Gebrauch der Unisonos ähnlich wie in der Allemande von Suite Nr. 4.

Die Courante, die sich anschließt, verbindet ununterbrochen längere Phrasen miteinander, die behände Melodien haben. Sie lässt uns erst am Ende des jeweiligen Teils Zeit zum Verschnaufen.

Die Bourree ist noch lebhafter. Ihr strahlender Verlauf bringt uns in einem Zug bis zur letzten Note.

Die Sarabande bleibt in der gleichen Tonart und steht nicht wie sonst häufig in der parallelen Molltonart. Ihr Anfangsthema ist dem der Chaconne, die drei Seiten später folgen wird, zum Verwechseln ähnlich. Es lohnt sich bei der Sarabande, in den Wiederholungen der beiden Teile reichlich dynamische Abstufungen zu verwenden. Kurz nach Beginn des zweiten Teils tut sich in der Melodie eine solche Lieblichkeit, ein solcher Traum auf, dass wir diesen Takt sehr gerne ausdehnen und seine Harmonie in den nächsten Takt hinüber zu führen. Aber da die Harmonie dieses Taktes eine Dauer von insgesamt drei Schlägen hat, müssen wir das ausgleichen, indem wir sie auf den letzten Schlag verkürzen:

Das ist natürlich ein sehr persönlicher Vorschlag, der aber dennoch ganz dem Geist damaliger Musik entspricht (Siehe auch die Beispiele bei Quantz).

Dem Menuett fehlt nicht die Anmut der anderen Menuette, obwohl ich ihm am liebsten den Untertitel "Der Schluckauf" geben würde. Die geschickt platzierten Bindungen ergeben in Verbindung mit dem unerwarteten Widerhallen gewisser Noten beim Saitenwechsel eine abgehackte Phrasierung, die die Assoziation einer "Schluckauf"-Phrasierung hervorruft. Darüberhinaus führt die Betonung der Verzierungen und ihrer möglichen Variationen zu zarten Echos von einer Phrase zur anderen. Hier haben wir wieder ein gutes Beispiel dafür, wie ein Stück, das im Notenbild monoton aussieht, auf dem Instrument gespielt seinen ganzen Reichtum entfaltet.

Die Chaconne ersetzt als letzter Satz die sonst übliche Gigue. Sie ist das einzige autographe Stück in dieser Suite. Sie ist besteht aus dem Eröffnungsthema, sechs Variationen und einem Schlussteil. Die Chaconne ist elegant, einfach und ausgewogen; es geht bei ihr musikalisch vor allem darum, die gesangliche Schönheit der Stimmen auszudrücken.
 



< Sonate Nr.5      Sonate Nr.7 >


 


  Copyright © 1998-2006 Laurent Duroselle, Markus Lutz

A partir du 22 Novembre 1998 les statistiques sont aussi suivies par  Hit-Parade Consultez les