© Michel Cardin
Das Londoner Manuskript


Solo-Sonate 14 in F-Dur
(Smith-Crawford 19)

Die kompletten und berarbeiteten Texte von 'London unveiled' von Michel Cardin können als pdf-Dateien herunter geladen werden (zur Zeit nur in Englisch): 'London unveiled'

Diese Suite findet sich teilweise auch in den Manuskripten von München und Rostock. Sie erinnert durch Tonart und Kompositionsweise an die erste Suite. Die Tonalität F-Dur hat scheinbar genug Ausdruckskraft um die zarte Noblesse darzustellen, die die damaligen Gelehrten F-Dur zuschrieben. Auf ein charakteristisches und kurzes Prelude, das sehr an Improvisation erinnert, folgt eine Allemande von einer trefflichen Noblesse. Auch hier wird der Hörer wie so oft bereits wenige Momente nach Eröffnung des Werks von einem traumähnlichen Gefühl überwältigt. Im zweiten Teil bleibt eine mehrdeutige melodische Linie anmutig in der Schwebe zwischen Tonika und Dominante: Eine weissische Perle, die unsere Aufmerksamkeit mehr weckt als die typische barocke Akkordfolge, die darauf folgt. Das erweckt beinahe den Eindruck, als ob Weiss trunken wäre vor Freude über den Klang des Instruments, was man mit demselben Recht von Couperin und Chopin in Bezug auf ihre Instrumente sagen könnte.

Bemerkenswert ist, dass diese Allemande keine Wiederholungszeichen besitzt. So ungewöhnlich das sein mag, scheint es sich dabei doch nicht um ein Versehen zu handeln. Wenn man sich dafür entscheidet, die beiden Teile nicht zu wiederholen, scheint es mir ratsam, die notierte Musik so zu verzieren, wie man das normalerweise bei Wiederholungen handhabt. Wichtig erscheint mir dabei die Bemerkung, dass Verzierungen einer notierten Musik nicht bedeuten, sie zu verändern. Wenn man aus Zeitgründen bei Allemanden oder Sarabanden nicht wiederholen möchte, würde ich auf jeden Fall Verzierungen verwenden. Die vorliegende Allemande in F-Dur hat am Ende eine ziemlich lange 'petite reprise', die hier deutlich markiert ist. Einige Passagen der Allemande erinnern ganz besonders an die aufsteigende Anfangsmelodie in der Allemande der zweiten Suite.

Das überschwängliche Frohlocken der Courante drückt sich unter anderem in geschickt eingesetzten Hemiolen (binären Rhythmen, die in einem ternären Metrum die Taktbetonung verändern) und synkopischen Gegenmelodien aus. Die Bindungen beginnen unregelmäßig abwechselnd auf betonten und unbetonten Noten, so dass die Courante einem Ballspiel zu gleichen scheint. Derselbe Überschwang findet sich in der folgenden schnellen Bourree mit ihren Sprüngen im Bass, die hohe Anforderungen an die Daumentechnik der rechten Hand stellen. Wir wollen nicht vergessen zu erwähnen, dass in den beiden Kopien aus der Bibliothek von Rostock, die Verzierungen nicht nur anders sondern auch viel schwieriger als im Londoner Manuskript sind, was zum Schluss führt, dass die Besitzer dieser Manuskripte entweder große Virtuosen waren oder dass die fraglichen Sätze in einem etwas gemäßigteren Tempo gespielt wurden.

Die Sarabande ist wie ein großes Fragezeichen. Sie beginnt in der Tat mit einer doppelten Überraschung: Sie steht in der parallelen Molltonart, weicht aber zu Beginn der Tonika aus. Sie ist eine raffinierte, melancholische Perle. Friedvolle Freude kehrt zurück beim Menuet. Wir entdecken hier eine thematische Verwandschaft zu dem bekannten Minuett in G-Dur von J.S.Bach entdecken, das im zweiten Klavierbuch für Anna Magdalena Bach steht und 6 Jahre später, 1725, komponiert wurde. Unmittelbar vor dem Ende erinnert uns eine absteigende Linie an die Musette aus dem selben Notenbuch. Die abschließende Gigue mit ihrem eng verwobenen Fugato und ihren fortwährenden Modulationen stellt den Interpreten vor große technische Anforderungen, weil hier häufig Saiten abgedämpft werden müssen, um eine klare Interpretation zu ermöglichen. Einige Takte aus der Gigue zeigen wieder deutlich die Vorliebe von Weiss, in die Haupmelodie hinein verschiedene interne Melodien zu verweben, was natürlich nur mit sorgfältig ausgewählten Fingersätzen möglich ist. An anderen Stellen hat Weiss die Fingersätze oft eher nach klanglichen Erwägungen ausgewählt.


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